
Nach der ersten Ankündigung Ende 2012 folgen nun Ende 2013 Taten: Das berühmte Graffiti-Mekka “5 Pointz” in Queens/New York wird abgerissen. Der Besitzer des Gebäudekomplexes, Jerry Wolkoff, plant am Standort des farbenfrohsten Gebäudes in ganz New York zukünftig zwei Hochhäuser mit insgesamt 1000 Wohnungen zu bauen. Aktuellen Meldungen zufolge ist der Abriss am 09.10.2013 festgelegt worden und soll noch im selben Jahr durchgeführt werden.

5 Pointz, der Lagerhauskomplex an der 45./46. Davis Street in Queens, verdankt seinen Namen den Stadtteilen New Yorks – den Boroughs – die an diesem Punkt das Zentrum der Graffitikunst bilden sollten. Doch blieb es nicht lange bei einer lokalen Bedeutsamkeit. Künstler aus aller Welt pilgerten seit den frühen 90er Jahren Richtung 5 Pointz und zeigten hier ihr Können an der Can. Mittlerweile zieren das Gebäude weit über 1000 Kunstwerke.
Jonathan Cohen (Writername Meres One), der aktuelle Verwalter von 5 Pointz, wusste früh durch seine persönlichen Führungen entlang der Walls zu vermitteln, dass Graffiti Kunst und keine Schmiererei ist. Er nahm sich die Zeit zu jedem Piece an den Walls die dahinter verborgene Geschichte zu erzählen und spannte stets den Bogen zur Entstehung sowie Idee hinter 5 Pointz. Interessierte Besucher und Touristen rund um den Globus suchten dieses einzigartige Kulturerbe auf. Dieser Ansatz war auch Anlass einer Online-Petition, die dem geplanten Abriss bereits 2010 entgegenwirken sollte – leider erfolglos, da die angestrebten 50.000 Unterschriften nicht erreicht wurden. Nach der Rettung war geplant, das Gehäuse in ein offizielles Graffitimuseum umzubauen.
Persönliche Anekdote
Von all dem habe ich während meines Besuches in New York Anfang September 2013 nichts mitbekommen. Das 5 Pointz war eine der ersten Locations der Stadt, die auf meiner Besuchsliste stand. Da ich darüber hinaus plante, Szenen für ein Musikvideo einzufangen und auf der Website von 5 Pointz etwas von Drehgenehmigungen las, schrieb ich Meres im Vorfeld per Mail an. Keine Reaktion. Zweite Mail – keine Reaktion. Ich sollte später erfahren, warum.
Etwas enttäuscht, aber mit dem festen Vorhaben trotz fehlender Drehgenehmigung die Geburtsstätte des Graffitis aufzusuchen, flog ich nach NY. Schon von Weitem ragte das bunte 5 Pointz Building aus der tristen und grauen Arbeitersiedlung des Stadtteils Queens heraus. Nach einem kurzem Fußweg von der Metro Station aus endlich angekommen, konnte ich nicht anders und filmte heimlich. Einige Touristen stellten sich offen vor die Pieces und fotografierten diese inklusive der überall angebrachten Schilder “No photography or filming without written permission”. Die schriftliche Genehmigung stets dabei haben und den 5 Pointz Membern auf Verlangen vorzeigen sei Pflicht, stand dort weiter. Da zuckte der korrekte Deutsche in mir zusammen und bekam beim heimlichen Filmen ein schlechtes Gewissen. Als mir zwei Touristen auf die Frage, ob sie eine Genehmigung hätten und wenn ja, wo ich spontan eine bekäme mit Schulterzucken antworteten, entspannte sich der korrekte Deutsche in mir und filmte heimlich, aber trotzdem mit schlechtem Gewissen weiter.
Nach einigen Szenen entschloss ich mich, auf meine Art Teil dieses historischen Platzes zu werden und fing an, Laternen, Geländer u.ä. mit SirPreiss- und Fourgruppe-Stickern zu bekleben. Sticker waren am 5 Pointz interessanterweise weniger zu finden und da ich im Malen eine Null bin, war das mein innerlicher, künstlerischer Kompromiss. Ich klebte also was das Zeug hielt.
Irgendwann kam dann ein bulliger, großer, langhaariger Typ auf mich zu und fragte mich, was ich da mache. Just in diesem Moment kam auch Meres mit einer Touristengruppe um die Ecke, um sich dem nächsten Piece zu widmen. Ich sagte dem bulligen, großen, langhaarigen Typen, dass ich Musiker aus Deutschland bin und zeigte ihm die Sticker, worauf sich folgender Dialog ereignete:
“Woooow, Stickers! Awesome, who made these?”
“I did”
“Oh really, may I have some?”
“Sure”
In diesem Moment dreht sich der bullige, große, langhaarige Typ zu Meres, der gerade schwer mit der Touristengruppe beschäftigt war:
”Ey yo Meres, come over here. I got some stickers for you”
Während die Touristengruppe wartend vor dem Piece stand, fragte mich Meres: “These are nice stickers. You got some more?”. Ich drückte ihm ein paar Sticker in die Hand. Er bedankte sich und setzte seine Führung mit den Touristen fort.

Wie sich herausstellte war der bullige, große, langhaarige Typ der seit Ende der 80er aktive Writer “FUME”, der nicht nur Teil der 5 Pointz Members ist, sondern sich wie folgt vorstellte:
“Oh, you’re rappin? I’m a MC too. I know, you look at me and can’t imagine, but I was out there before Eminem came out.”
Ob es denn ein Problem sei zu filmen, fragte ich. Nein, das sei alles kein Problem, ich SOLL sogar filmen und Fotos schießen. Die schriftliche Genehmigung gelte nur für Magazine und das Fernsehen, die 5 Pointz gerne als hippen Szeneplatz für irgendwelche trendigen Werbekampagnen nutzten. Wenn ich Graffiti-Kunst liebe, SOLL ich Bilder machen und sie jedem zeigen.
“Okay, nice to know. I wrote a mail to Meres to get a confirmation but haven’t got any answer yet.”
”Well, you know he gets thousand mails a day with requests and is too busy to answer them”.
Schriftliche Genehmigung, pfft. Und ich dachte wir Deutsche stellen gerne Schilder mit Verboten und Regeln auf. Von da an filmte ich nicht mehr heimlich. Dafür sehr viel und mit einem leichten Grinsen im Gesicht, etwas historisches zu tun und vor allem Teil von etwas historischem zu sein. Das fertige Bildmaterial wird hoffentlich bald zu einem fertigen Kurzvideo zusammengeschnitten. Im Hintergrund wird der bisher unveröffentlichte Track “Rap wartet auf mich” zu hören sein, den ich bisher in kein bestehendes Projekt einordnen konnte und wollte. Nun bekommt der Song seinen Platz – wie die Sticker.
Thank you, 5 Pointz!

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