REVIEW 002: Jephza – Nachtwache (Free Download)


Jephza - Nachtwache (Free Download)

Schubladen sind an sich eine gute Sache. Man kann darin Dinge verstauen oder aber auch Sachen ordnen und kategorisieren. Im Alltag und vor allem in der Musik können Schubladen im Kopf aber eher sperrig sein. Im Rap verirrt sich sogar mal ein Stuhl oder eine Parkbank in die Köpfe weaker MCs, möchte man und auch seinem Westwood Connection-Gefährten Tufu glauben. Mit „Nachtwache“ legt Jephza nun sein mittlerweile zweites Online-Release vor. Im folgenden Review soll geklärt werden, aus welcher Schublade dieses Release entstammt oder, wenn es aus einem anderem Holz geschnitzt ist, welche neue Schubladen es womöglich öffnet…

„Westwood Connection – brandneu und doch so alt, ich bin ein Baum mit prachtvoller Krone – du ein morscher Stock im Wald“

Das Intro eröffnet „Nachtwache“ auf einem gediegenen Streicher-Beat, aber mit leicht holprigen Cuts. Allerdings ist das zu verschmerzen, denn der textlich gut überlegte Übergang zum Übertrack „Pankbänke“ zeigt: Hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Ach ja, die Parkbänke. Der ein oder andere wird das dazugehörige Video kennen und ich verrate vorab nur so viel: Hier hält der beste Track des Albums für das Video her. Dass der Beat von Tufu stammt, hätte Jephza schon gar nicht mehr erwähnen müssen – das musikalische Gerüst ist geradezu tufu’esk.

Jephza – Parkbänke

„Das war echt knapp, beinah hätte der meinen Tag versaut mit seinem Love-Parade-Michael-Jackson-Rest-in-Peace-Japan-Sound“

Sommerlich-verregnet geht es mit „Sommerregen“ weiter. Das Thema entspricht dem Titel und ein chilliger Beat mit unverzerrter E-Gitarre dient diesem insgesamt schönen Song als Grundlage. Feature-Gast Davido kommt hier flowtechnisch ein klein wenig besser an als der Gastgeber. Wäre auch schlimm wenn nicht, denn Davido ist das einzige Feature auf dem gesamten Album. Innerlich mit Sommersonne aufgewärmt skippe ich weiter zum Doppelpack „Lauf“ bzw. dem einleitenden Intro-Skit. Letzteres erzeugt eine gute Brücke zwischen dem Sommertag auf der Wiese und der hektischen Traumflucht nach vorn.

„Lauf! Renn durch die Nacht, hab den Verdacht, dass irgendwas hinter mir ist“

In „Lauf“ wird sich der ein oder andere Hörer wiederfinden, der mal im Traum vor irgendetwas davongelaufen ist. Der Song dürfte mit seinen schnellen und hypnotischen Streichern ab jetzt den Soundtrack dafür liefern. Uff, nach der ganzen Rennerei erst mal eine Verschnaufpause und einen schönen Tag genießen. „Schöner Tag“ ist eine Hommage an Jephzas Freunde oder, wie er sagt „einfach nur schöne Menschen“, mit denen man wunderbar skaten, saufen und grillen kann. Jephza und der thematisch gut gewählte Beat rutschen hier aber keineswegs in sentimentalen Kitsch ab, nein, wer in diesem Song angesprochen wurde, darf sich geehrt fühlen.

Das Album ist thematisch so eng verwoben, dass der Hörer denken mag, er würde Jephza zwei, drei Tage begleiten. So erheben wir uns von der Parkbank, laufen durch den Sommerregen in den schönen Tag hinein und werden am Abend Zeuge einer Messerattacke auf einem Dorffest. Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven – dem Niedergestochenen und seiner Freundin. ADB, der u.a. auch „Lauf“ produziert hat, liefert der Geschichte die passende Beat-Basis. Kurzer, aber sehr guter Track. Das anschließende englisch-sprachige Skit „Forgive/Love“ ist, hmm, ja, ein Skit eben. Die Titelgerechte Message leitet dann zum von Bitbeats produzierten „Allein“ . Der Beat ist melodisch, aber reißt mich persönlich nicht mit, ohne dass ich an schummrige Lagerfeuer-Zeltnächte denken muss. Ja, man kann den Beat auch als kitschig brandmarken, wäre da nicht ein persönlich über sich rappender Jephza, dem man dann doch gerne zuhört, wie er die Trennung von seiner Ex verarbeitet. Zeitlose Hürden des Lebens raptechnisch sauber verpackt. Was will man mehr?

„Das ist nicht  fair, ich meine wer hat dran gelitten? Es wird dunkel, jetzt fang ich noch mehr an dich zu vermissen“

Nächster Track. Und wieder folgen wir einer thematischen Linie. Allerdings ist „Talk About The Hurtin'“ für mich ein überflüssiger Skit. Oder ich versteh den Sinn nicht. Oder es gibt keinen. Vielleicht denke ich aber auch zu viel darüber nach, und es ist einfach ein stinknormaler Skit ohne Beat, über den ich an dieser Stelle nichts schreiben kann. So I skip that skit.

Sag mal Jephza, bist du lebensmüde? Jop, das ist er. Jedenfalls macht er in „Lebensmüde“ genau das, was nur ein Lebensmüder machen würde. Zitat gefällig?

„Ich mach die Augen zu und renn über die Hauptstraße, ich spazier durch brasilianische Ghettos mit Breitling-Uhr, ich sag nem blinden Nazi „Du hast schwarze Hautfarbe und deine beste Freundin ist Jüdin, aber verschweigt es nur“

Nach den Tracks über  den Menschen Jephza geht es nun weiter mit dem Rapper Jephza. Auf dem mit Chor unterlegtem Brett von einem ADB-Beat kommt Jephza „mit ausgeklügelten lyrischen Schädeltritten“. Das hat gesessen.

„Rap deine drecks Scheiß-Themen auf Spanisch – ich will nicht hören was du sagst und verstehen schon gar nicht“

Weiter geht’s im Wack-MC-ausfindig-machen-und-betiteln. An dieser Stelle wäre dann auch endlich mal geklärt, dass „wack“ ohne h geschrieben werden kann – muss es aber nicht. „Ultralativ“ könnte man auch „Parkbänke II“ nennen. Muss man aber nicht. Das wäre ja Schubladen-Denken. Es mag am ähnlichen Inhalt oder am ähnlichen Tufu-Beat liegen, dass „Ultralativ“ zu „Parkbänke“ in die Schublade kriechen möchte, deswegen erhoffe ich mir im anschließenden Kevoeskitshit Abwechslung.

Double-Time-Raps, oha. Der technische Genickbruch für jeden Rapper, der sonst das „normale“ Tempo bevorzugt: Jeder versucht sich einmal in seiner MC-Karriere daran – und belässt es bei diesem einmaligen Ausflug. Jephza überzeugt hier an sich. Hier und da ein genuschelter Reim, aber alles in allem bestanden. Schulnote 3.

Damals, als ich noch jung war, sagten die Leuten zum Austauschen des Beats eines Songs „Remix“ bzw. remixen. Jephza präsentiert uns ein Remade seines Songs „In Loving Memory“, den ich wegen des persönlichen Themas Tod inhaltlich nicht kritisieren möchte. Allerdings ist der Piano-Beat von ADB austauschbar oder sagen wir besser: Nicht so meins. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass dieser Song das Album nicht abschließt, sondern das positiver gestimmte „Into The Wild“.

„Ich brauch kein Geld, schlaf zur Not unterm Baum, mein Zelt ist der Himmel – Freiheit – ganz egal, wo ich hin will“

Damals, als ich noch jung war, hätte mich der Song auf jeden Fall motiviert, das Gleiche zu tun. Nun aber setze ich mich im gedämpften Licht der Abendsonne auf eine Parkbank, lasse die drei Tage mit Jephza Revue passieren und das Geschehene an meinem inneren Auge vorbei ziehen.

FAZIT:

Was für eine musikalische Reise! Wie schon während meines Reviews angedeutet, wurde hier (bewusst?) ein roter Faden gesponnen, an dem man sich vom Anfang bis zum Ende des Albums entlanghören kann. Den ersten Pluspunkt bekommt Jephza für das nur hier und da eingestreute Rappen-über’s-Rappen. Storytelling und persönliche Verarbeitung stehen hier eher im Vordergrund. Das Album ist, nach , eine weitere, sehr persönliche und ehrliche Episode aus dem Leben des jungen Rappers. Jephza darf allein schon deswegen andere MCs als w(h)ack betiteln. Dazu kommen die vielseitigen Beats, die ich beim ersten Durchhören als stilistisch zusammengewürfelt empfunden habe – ein schwerer Fehler. Beim genaueren Auseinandersetzen mit dem Album entpuppt sich die Würfelei als stabiles Kartenhaus. Hier passt alles zusammen. Zwei, drei Karten muss ich jedoch entfernen, allerdings ohne das gesamte Haus einstürzen zu lassen.

Zunächst finde ich Jephza passt nicht auf alle Beats. Oder besser gesagt umgekehrt, nicht alle Beats passen zu Jephza. “Sommerregen” wäre da als Beispiel zu nennen. Das ist natürlich sehr subjektiv und so mancher wird mich für diese Aussage steinigen wollen. Ein zweiter Punkt sind für meinen Geschmack zu viele Instrumentalpassagen und zu wenigen Cuts. Die Erwartungen an das Album vor dem Hören und das Resultat nach dem Hören kommen in diesen Punkten für mich nicht zusammen. Das Double-Time-Ding ist mir etwas zu nuschelig, andererseits ist es nur ein Skit. Das war’s aber auch schon an den musikalischen Kritikpunkten, denn „Nachtwache“ ist meiner Meinung nach eines der besten Online-Releases der ersten Jahreshälfte 2011.

Der Sound ist alles in allem ok, aber mehr auch nicht. Die Drums sind teilweise „nicht da“ und Jephza Stimmfarbe hat besonders auf den vom Sound her dumpferen Beats zu wenig Präsenz. Das ist schade, tut dem Hörgenuss letztendlich aber keinen riesen Abbruch. Raw shit halt.

Zum Cover lässt sich nur so viel sagen, dass es exakt die Stimmung wiedergibt, die die Songs letztendlich versprühen. So sollte es auch sein. Statt der doofen Textdatei im Download-Paket, hätte aber dieses unterm Strich gute Rap-Album eher ein ebenbürtiges Back-Cover verdient.

BEWERTUNG: 4/5

 

 jephza-nachtwache-free-download
(50,8 MB)


Tracklist
01. Intro
02. Parkbänke
03. Lebensmüde
04. Lauf Intro
05. Lauf
06. Schöner Tag
07. How It Ends
08. Forgive/Love skit
09. Allein
10. Talk About The Hurtin’ skit
11. Sommerregen
12. Scenepoints
13. Ultralativ
14. Kevoeskitshit
15. In Loving Memory Remade
16. Into The Wild


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