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REVIEW 008: Eks und Hop – Petrus und Pathe EP (Free Download)


Eks-und-Hop-Petrus-und-Pathe-Frontcover

Gut Ding will Weile haben. Und während eine Vielzahl der aktuellen Downloads schnell durchgehört und wieder abgehakt werden kann, schreiben die Wuppertaler Eks & Hop aka Petrus und Pathe “zusammen jetzt schon 10 Jahre Geschichte”. Das heißt zunächst wenig, denn manche Musiker schrieben auch mal gerne eine Dekade an der falschen Geschichte oder verlieren den roten Faden ihres gut gemachten Anfangs. Sind Eks & Hop aus anderem Holz geschnitzt oder heißt es  auch hier durchgehört und dann ex und hopp im Sinne von abgehakt?

“Wir steh’n für alte Werte wie für Ehre und Stärke, doch treffen in den meisten Köpfen nur auf gähnende Leere”

Mit dem Titelgebenden Song “Eks & Hop” stellen sich Eks & Hop netterweise erst einmal vor. Das erledigen die beiden nicht nur reimtechnisch gekonnt, sondern zeigen trocken und direkt ihre ganze Routine auf einen Ohrwurm Beat von Epic Infantry. Das Produzenten Duo aus Wu-Tal bietet darauffolgend gleich das nächste musikalische Brett für “Damals”, zu dem es auch ein sehenswertes Video gibt. Auf dem Track werden die nicht weniger routinierten Stadtkumpanen Sinuhe und Prezident gefeatured. Das funktioniert, wer hätte es nicht gedacht, verdammt gut. Prezident kümmert sich solide um die Hook, während Petrus, Pathe und Sinuhe jeweils einen top Part abliefert. Da war es keine falsche Entscheidung, genau zu diesem Track ein Video zu drehen.

“Das gleiche Team seit Jahr’n – Wuppertaler Veteranen – 60 Jahre Rap Erfahrung kommt zusammen in den Bars”

In “Gerede” wird genau das verarbeitet, was der Titel andeutet. Und diese verarbeitete Aussage wiederum ist ehrlich, direkt und auf den Punkt gebracht. Das Gleiche gilt für den melodisch-ruhigen Beat. Auch hier zeichnen sich wieder Epic Infantry verantwortlich. Zu “Gerede” wurde übrigens ebenfalls ein Video gedreht:

Ging es die ersten drei Tracks eher ruhiger zu, so wird jetzt der musikalische Boxhandschuh ausgepackt. Zusammen mit den Kamikazes stehen Eks & Hop “Schulter An Schulter” und ziehen die Battle Kappe auf. Der Beat von Undress dazu kommt, ebenso wie diese MC Kombination und die Thematik, mit Pauken und Trompeten. DJ Jefkoe rundet das ruffe Dream Team ab und cuttet lauter böses Zeug.

Zurück zu den ruhigeren Tönen bzw. in eine “Heile Welt”. Die hypnotischen Celle- und Streichertöne untermalen sehr erdrückend die Ironie des Titels, denn die Welt, die Eks & Hop hier beschreiben, hat nichts mit Sommer, Strand, Sonne und All Inclusive zu tun. Am Beat saßen ein weiteres Mal Epic Infantry – gewohnt gut.

“Komm ich zeig dir eine Welt, in der die Menschen unter Brücken schlafen, Aussichten beschissen sind, wenn Lebensläufe Lücken haben”

“Psychodriete” ist der musikalische Spiegel, den Eks & Hop dem Hörer vorhalten möchten: Probleme, Geldsorgen und ganz unten sein sowie die seltenen Höhen des Lebens – Eks & Hop wissen wovon sie reden und teilen sich auf einem Patchworks Beat so eindrucksvoll mit, als äußerten sie das alles zum ersten Mal. Vielleicht ist es auch so. Der Beat ist einer dieser Akustikgitarren Beats auf dieser EP, die von Epic Infantry hätten sein können. Das sei erst einmal wertfrei dahingestellt.

“Toast und Salami im Magen und einen Stein in der Brust”

Jeder Track ist bisher im Grunde ein wenig Story Telling gewesen. Aber “Murmeltier” treibt das bisher Dagewesene auf die Spitze und beschreibt sehr bildlich-sarkastisch die jeweiligen Arbeitstage von Eks & Hop. Vom nicht gerade angenehmen Aufstehen über den schlauchenden Arbeitstag bis hin zum Feierabend – man ist als Hörer mittendrin statt nur dabei. Produziert hat Jay Baez und dieser Beat könnte ein Patchworks Beat sein, der nach Epic Infantry klingt. Das ist erneut erst einmal wertfrei dahingestellt.

Nicht ganz so wertfrei ist der achte und letzte Track der EP zu sehen bzw. hören. AKD´s Dubstep Remix von “Heile Welt” ist aus zweierlei Gründen überflüssig oder für mich zumindest problematisch: Erstens – und das ist oft der Genickbruch eines Remixes – ist das Original schon gut genug, sogar besser. Zweitens kommt der Remix zwar aggressiver daher und verleiht den Texten von Eks & Hop eine düsterere Atmosphäre, aber der Synthie Beat reißt den Hörer irgendwie unsanft aus der melodischen Epic-Patchworks-Baez-Welt. Ein musikalischer Krieg der Welten sozusagen.

FAZIT

Angedeutet habe ich es schon öfter, nun legen wir die Karten mal auf den Tisch: Die EP gefällt mir ausgesprochen gut und das liegt zum Großteil an den Beats. Diese sind sehr musikalisch und “gefüllt”: Viele Instrumente treffen auf intelligent gesetzte Drums und Percussions. Der angedeutete Haken an der Beat-Wahl ist allerdings, dass alle Produktionen unabhängig von den Produzenten aus einem Guss klingt. Petrus und Pathe bewiesen mit den ausgesuchten Beats einen auffälligen Hang zu gezupften Akustikgitarren und Flötentönen. Darunter leidet die Abwechslung ein wenig.

Der inhaltliche Duktus umfasst das nicht allzu angenehme Leben in Wuppertal, möchte man es ganz aber auch wirklich ganz gang platt auf die Essenz reduzieren. Daran ist an sich nichts auszusetzen, aber der ein oder andere hat sich da schon an Prezident und den Kamikazes sattgehört. Dass Eks & Hop trotzdem erfolgreich über den Wuppertellerrand schauen, merkt man an den zahlreichen Vergleichen und Lebensweisheiten. So kann sich auch der Nicht-Wuppertaler einige Scheiben abschneiden. Einfach, weil dat Dingen hier so ehrlich und wahr is.

Der Sound der EP ist sauber und das ist so vollen Beats nicht zu unterschätzen. Das gleiche gilt für die Stimmen. Lässt sich auf dem MP3 Player und ranzigen Laptoplautsprechern gleichermaßen vernünftig anhören.

Die Fotos für das Cover hat geknipst und die Dame scheint mir halb Wuppertal vor die Linse geholt zu haben. Zumindest die an “Petrus & Pathe” beteiligten Musiker wurden alle schon mehr als einmal von k.pictures abgelichtet, woraus dann Albencover entstanden sind. Das Artwork von Levent Bulut ist im positiven Sinne rapklischeemäßig: Schwarz-weiß-Fotos mit weiß-roter Schrift – so gesehen alles richtig gemacht, weil das immer funktioniert. Zumal es die Stimmung der EP sehr gut einfängt

Alles in allem ist die Spiellänge zu kurz geraten. So qualitativ hochwertigen Rap wünsche ich mir in Zukunft auf Albumlänge und dann auf keinen Fall als Free Download. Das Ding hier plus drei, vier Tracks mehr hätte in jedem Fall den ein oder anderen Euro in die Eks & Hop Kasse gespielt. Man darf auf die nächsten 10 Jahre gespannt sein.

BEWERTUNG

esk-hop-petrus-pathe-rating

4,5 / 5

 


eks-und-hop-petrus-und-pathe-free-download

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Eks-und-Hop-Petrus-und-Pathe-Backcover


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REVIEW 007: 2Seiten – Perspek-Tiefen


 2Seiten-Perspek-Tiefen-Frontcover

 

Böse Zungen behaupten, die Raps von überfordern den Hörer. Die nicht ganz so bösen Zungen halten die Raps von 2Seiten AKA Backdraft AKA Back-Draft schlichtweg für unterbewertet. Eine gute Grundlage, um den MC mit Vorlieben für AKAs und Bindestriche in die Perspek-Tiefen seines Album zu begleiten.

“Back-Draft’s back”. Und nein, es geht nicht um Back-Drafts Rücken. Selbiger ist zurück  und beschreibt sich mit als den “in keine Kategorie packbare” schon ganz gut selbst.

“Keine Ahnung” kommt auf einem schönem Beat und passender Gesangsuntermalung in der Hook daher.  Man kann die Aussage des Songs nun mit zweierlei Maß messen: Zum einen ist er den Rappern da draußen gewidmet, zum anderen kann man die Message auch auf alle anderen Menschen münzen, die den Mund aufmachen ohne nachzudenken. Ein multifunktionaler Song, sozusagen.

“Ich sag nur eins: ich trau euch nur soweit wie ich euch werfen kann”

Der Beat von “Atmen” reißt sofort mit, ebenso wie die Hook. Der Part von ist ganz nett, geht lyrisch im Vergleich zu Back-Drafts Strophe jedoch etwas unter. Wahrlich kein Grund zum Schämen. Garniert wird das musikalisches Spektakel mit einer Reggae-Hook von . Sehr dope das Ganze!

Der Songtitel “Verrückt” ist Programm und kommt, tja, sehr verrückt rüber. Der Beat ist extrem nervig und mein persönlicher (Perspek-)Tiefpunkt des Albums. Die Hook möchte auch verrückt sein, aber überspannt den Bogen. Die Parts hingegen sind sehr gut, da Back-Draft anschaulich beschreibt, warum er sich von allen anderen (Rappern) abhebt. Dafür hätte es dieses Track nicht bedurft, das wurde schon im Intro klar.

“Leider Gottes bin ich mit zu wenig Mittelfinger gesegnet als dass ich nen Fick auf alles gebe”

Tauchen wir etwas tiefer ein in die Person Back-Draft/2Seiten. “Depression” ist ein kurzer Track, aber manchmal reichen auch anderthalb Minuten, um den ewigen Kampf mit und gegen sich selbst zu umschreiben. Ein pumpender Streicher-Beat, gespickt mit Filmsamples – da wünschte man sich ein ausgedehntere Hörlänge.

Der gesungene türkische Refrain in “Duygular” ist Geschmackssache. Inhaltlich natürlich nur türkischsprachigen Hörern zugänglich, muss man auch ein Freund der Melodik sein. Bin ich nur bedingt, aber das Gesamtpaket stimmt. Mit orientalischen Klängen geht es weiter. zaubert Back-Draft auf “Existenz” eine ideale Grundlage einen richtig schnellen Flow auszupacken.

Den Song Offensive mag der ein oder andere schon vom kennen. Ein Battle-Track der gleichzeitig auch ein Statement ist, wie Back-Draft selbst gestrickt ist. War damals auf Vinyl schon cool und ist es jetzt immer noch.

“DU steckst nicht in meinen Schuhen. Schau in den Spiegel, was du siehst bist DU”

“Geistesblitz” erinnert mich irgendwie an die Atmosphäre vom OutKast Album “ATliens”. Und auch inhaltlich taucht Back-Draft wieder in atmosphärische Tiefen. Da kann man auch mal auf einen Refrain oder eine Hook verzichten und dem psychedelischen Soundkonstrukt Platz lassen. Hier wurde alles richtig gemacht.

Wenn ein Produzent oder DJ auf einem Album Platz für ein eigenes Skit bekommt, dann hat dieser ebenfalls alles richtig gemacht. Das Instrumental zum “FabRockSkit” beweist eindrucksvoll, warum FabRocc neben Monroe der Hauptproduzent des Albums ist. Der darauf folgende Track zum Albumtitel “Perspek-Tiefe” ist ein guter, aber jetzt auch keiner, der neue Perspektiven  eröffnet. Die Linie verschachtelter Lyrics und sauber produzierter Beats wird hier konsequent weiter verfolgt, wenn nicht sogar noch zugespitzt. Wenn jetzt die bösen Zungensagen würden, das war vorhersehbar, würden die guten Zungen wohl sagen, dass genau das ein rundes Album ausmacht.

Das von Monroe produzierte Stück “Regen” steht mit seinem Namen sinnbildlich für einen tristen Tag, im positiven Sinne unterbrochen durch den alles erhellenden Gesang von Jenga u.a. im Refrain. Wirklich gut! Dass es hier mehr als nur um einen Wetterbericht geht, erfährt der Hörer im abschließenden Part von Back-Draft. Anspieltipp.

Hydrophob ist gute Mann anscheinend nicht.  Zwar nicht vom Regen in die Taufe, aber dafür geht’s ins schwarze Meer. “Schwarzes Meer” verspricht vom Titel mehr als man sich vielleicht erhofft hat, denn es ist “nur” ein Hier-bin-ich-Representer. Der Beat ist ok, eine Message ist sowieso enthalten:

“Respekt is nur noch’n Song von von Aretha Franklin”

Gut, weg von den bisher ausschließlich ernsthaften Gedankengängen zu den lustigen Seiten des Lebens. Feature-Gast hat “Spass inne Backen”, STH hat ihn auch, aber Back-Draft bleibt weiter ernst und nachdenklich. Das ist mehr als schade, denn 2/3 des Songs hat der Titel zum gut nach vorne gehenden Beat gepasst. Wenn Kritiker Back-Draft vorwerfen möchten, er sei zu deep, dann kann man das gerne mit “Spass inne Backen” begründen. 

Ein mögliches K.O. Kriterium? Mehr dazu im Fazit, welches wie folgender Song natürlich nichts als die “Wahrheit” spricht. Es geht oberflächlich wieder um Rap, ja. Aber sich darüber zu beschweren wäre wie darüber zu meckern, dass in Actionfilmen geschossen wird oder über Casting Shows herziehen und sie sich trotzdem angucken. Hier geht es einfach um die individuelle Sicht auf Rap und das Wirken auf der Bühne. Kein austauschbarer Song, da sehr persönlich und eindringlich gerappt. Dazu ein schöner Beat von FabRocc, passt.

“Die Wahrheit ist, ich will mehr als nur Gage – ich will Leute die zuhören und verstehen was ich sage”

Ha, mit “Simpel und Einfach” neigt sich das Album sehr passend dem Ende zu und beschäftigt sich mit eben jenen Kritiken Back-Draft sei zu deep, denke zu viel nach oder überfordere den Hörer. Auf einem eher durchschnittlichem Beat mit Vocal-Sample in der Hook wird noch einmal das eindeutige Statement gesetzt “Ich bin so. Akzeptiert oder lasst es”. Wird gemacht.

Das Outro erklärt dem Hörer noch mal, dass es das Album von 2Seiten ist, was wir hören. Ok. Danke. Nicht, dass es 2Seiten Liebhaber und Hater hätten vergessen können. Oder war nicht das Album von Back-Draft?. Ach ja, die AKAs. Schöne Idee, die Songtitel in den Text einzubauen.

 

FAZIT

Back-Draft teilt nicht nur das schwarze Meer, er spaltet auch die Gemüter. Ich persönlich kann nachvollziehen wenn die einen den Mann in den Himmel loben, die anderen seine Sachen als zu anstrengend empfinden. Und das sage ich ohne mich auf eine Seite zu schlagen. Das Album ist in jedem Fall ein sehr gutes und das zunächst allgemein auf Rap und Beats bezogen. Letztere sind sehr abwechslungsreich und fügen sich zu einem stimmigen Mosaik zusammen, obwohl zwei verschiedene Paar Hände daran gebastelt haben. Monroe und FabRocc ergänzen sich sehr gut, da der Beatstil recht ähnlich ist. Die Produktionen sind sauber, drücken und stehen in einem Verhältnis zur Stimme, wie man es von einem Kaufalbum auch erwarten darf.

Dann ist ja alles gut, oder? Nun, das oben erwähnte K.O. Kriterium ist zwar keins, aber Fakt ist:  Locker-leichte Hörkost gibt es woanders. Back-Draft muss man genau zuhören oder man hört weg. Das erste Hören überrascht dabei mit einer Flut an Infos und Messages, die erst einmal verarbeitet werden wollen. Ich spreche jetzt übrigens nur von einem Song, noch nicht vom Album. Kein Song ist anspruchslos, im Gegenteil.

Erst beim zweiten und dritten Durchhören zeichnet sich der Rapper Back-Draft so allmählich ab. Da liegt einfach viel zwischen den Zeilen,  was erst noch zu Tage gefördert werden will. Aber genau das macht Spaß an “Perspek-Tiefe”, denn das ist Musik zum Entdecken.

Tauchen wir aus den Tiefen mal wieder an die Oberfläche und betrachten das Cover. Kurzum: Es gefällt mir nicht. Das Frontcover verdeutlicht gut, was der Mann hier tut, nämlich schreiben, schreiben, schreiben.  Sogar beidhändig. Na, wenn das nicht einiges erklärt. Das Design spricht mich nicht so richtig an und davon ab ist das Backcover eine mittlere Katastrophe! Die Schrift kenn ich von meinem Arzt und auch ehemaligem Mathelehrer. Und mit einer schöneren und kleineren Schriftart hätten auch noch die Features Platz gefunden. Erbsenzählerei, I know.

So lautet das Fazit des Fazits: Freunden des anspruchsvollen Raps sei das Album ans Herz gelegt, die Zweifler sollten sich die Hörproben anhören und alle anderen geben einfach mal “Do A Barrel Roll” bei Google ein.

 

BEWERTUNG

2Seiten - Perspek-Tiefen Rating

4/5

 

 

 

 

2Seiten-Perspek-Tiefe-Backcover


REVIEW 006: Luke & Betrug – Hypochonda


Luke-und-Betrug-Hypochonda-Frontcover

“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben”, sagte einst George Bernard Shaw. Das war noch vor dem Jahr 1950, bevor er verstarb. Was das mit diesem Album zu tun hat? Nun, “Hypochonda” von Luke & Betrug trifft damit den Zahn der Zeit, was die aktuelle (Rap-) Gesellschaft betrifft.

Das Intro startet themengerecht schön psychedelisch-verrückt mit gecutteten Wortschnipseln aus dem Album. Soweit so gut. Allerdings könnten die Drums mehr drücken. Alles in allem aber ein passender Einstieg.

“Was du daraus ziehst das liegt in deinem Ermessen – Dass die Scheiße hier was bringt, das kann ich keinem versprechen”

Zum anschließenden Track “Attentäter” gibt es übrigens ein Video. Zu Recht, denn dieser Track geht gut ins Ohr und bleibt dort auch. Das liegt zum einen am Beat selbst (so hätte das Intro Drumtechnisch sein sollen…), zum anderen weil Luke hier seinen Flow extrem gut entfaltet.

Luke & Betrug – Lyrischer Attentäter (Video)

Der Beat vom “Dunkel Intro” ist fast schon zu schade für einen Skit, aber stimmt deswegen umso besser in den nächsten Song ein. “Wenn Heute Morgen ist” ist ein unbedingter Anspieltipp. Luke erzählt von seinen morgendlichen/nächtlichen Streifzügen durch die Stadt und berichtet einfach nur von den Dingen, die er sieht. Klingt banal, aber wie wir wissen, kann das heutzutage nicht jeder MC. Mustergültiges Storytelling wie im Hörbuch.

“Zeit ist Geld, doch kann man Zeit nicht mit Geld kaufen”

Apropos Muster: Rappen über’s Rappen ist immer ein zweischneidiges Schwert, dass die Hip Hop Gemeinde sprichwörtlich zweiteilt. Wer kennt weiß, dass ich dieser Thematik, je nach Umfang,  kritisch gegenüber stehe. Mal ist das Rappen über’s Rappen ja gut oder auch wichtig, um sich und seine Szene zu reflektieren. Auf Albumlänge fängt man allerdings an, seine eingeschlafenen Füße zu beneiden. Die gute Nachricht an dieser Stelle: Das Luke & Betrug Album ist hauptsächlich kein Rappen über’s Rappen  Album. Puh! Die sehr gute Nachricht: “Reflektier” bringt in 2:07 Minuten mitsamt einem passenden Streicher-Beat auf den Punkt, was man zu dem Thema gesagt werden muss. Punkt.

Punkt? Manchmal kommen sie wieder. So auch Luke in “Ich bin back”. Psychosen können tatsächlich unterhaltsam und ehrlich sein. Kombiniert mit ein bisschen Repräsentieren und et voià:  Noch ein Anspieltipp. Der Beat bedient den Hörer mit einer eingängigen Gitarren-Piano-Kombi auf nach vorne bretternden Drums. Hier passt (mal wieder) alles.

“Yeah, ich komm mit geistigen Schäden – Folge mir, wenn du lernen willst in Scheiße zu treten”

Achtung, Nackenschmerz-Alarm! Denn “Trouble” zwingt nicht nur zum Kopfnicken, sondern bietet darüber hinaus ein schön böses Stück Beat. Besagter Beat ist recht flott, Luke aber auch. Am Ende kommen sogar noch schöne Cuts. Verdammt, wenn das so weitergeht, steuert “Hypochonda” auf eine 5 von 5 Wertung zu. Dafür nimmt man Nackenschmerzen vom notorischen Kopfnicken gerne in Kauf.

“Kauf dir neue Sneakers, am besten die, die auch dein Lieblings MC hat”

“Wenn ich groß bin” erzählt vom Gewinnen und Verlieren in der großen weiten Welt. Eine guter Job, Kohle – braucht man das, um glücklich zu sein? Diese und andere Fragen beantwortet sich Luke selbst. Genauso wie die Frage, inwieweit Seelen-Striptease in sozialen Netzwerken nötig ist. “Soziales Netzwerk” fasst die negativen Seite von Facebook & Co. so treffend zusammen, dass man da einfach besser selbst reinhören sollte:

Luke & Betrug – Soziales Netzwerk (Video)

Spätestens hier merkt der Hörer, dass Luke ein MC ist, der über die Gesellschaft nachdenkt und diese reflektiert. “Maschinerie” erzählt von der Depression, dem Leistungsdruck und täglichen Alltagstrott, der unaufhaltsam seinen Lauf nimmt. Bei diesem Track ist der Beat nicht so meins, allerdings bügeln das die guten Lyrics wieder aus.

Und wie zuvor verweise ich wieder auf eine Videoquelle, denn man muss einfach das Gesamtpaket aus Sound, Message und Bild gehört und gesehen haben. “Alle Hände hoch” beleuchtet das weltliche Geflecht aus Ausbeutung, Krieg, Korruption und dem Tod. Dazu, wie erwähnt, ein entsprechendes Video. Ganz nach dem Motto der Textzeile im Song: “Guck mal genau hin, vielleicht geht’s dir dann besser.”

Luke & Betrug – Alle Hände Hoch (Video)

“Fast verschwunden” deutet es bereits im Titel an. Das war’s soweit, das Album neigt sich dem Ende zu, aber eben noch nicht ganz. Das stimmige Instrumental Outro dient vorerst nur als Übergang zum letzten Track “Verrückt genug”, dessen Name Programm ist. Ist es nun auch wirklich der letzte Track? Man munkelt von einem Bonustrack.

 

FAZIT

Vorab sei erwähnt, dass es das Album kostenlos und als CD gibt. Natürlich wird sich der Großteil das Album kostenlos runterladen. Es lebe die Gratiskultur. Aber Luke wollte es eben so.

Um dem Fazit das schon Vorhersehbare vorweg zu nehmen: Ich empfehle euch das Album zu kaufen! Einerseits supportet ihr einen begabten Künstler, andererseits ist Musik zum Anfassen im Regal ein Mehrwert gegenüber dem schnell gelöschten Download. Kann man sich gerne drüber streiten…

Zum Sound zitiere ich Luke: “Lieber ehrlich dreckig als vermeintlich sauber”. Da wage ich es schon gar nicht mehr, eben jenen Sound der Songs in die Wertung miteinzubeziehen. Das  Album soll so klingen wie es klingt. Dazu ist es gesellschafts- und rapkritisch. “Hypochonda” die volle Wertung zu geben ist mir aber aus einigen anderen Gründen nicht möglich. Es sind minimale Gründe, wie der Beat von “Maschinerie” oder eben, dass das Intro nicht so dick daherkommt, wie die anderen Songs. Aber vor allem ist mir “Hypochonda” etwas zu lose und wirkt eher wie eine Zusammenstellung von Songs, die nicht direkt als Album geplant waren. Das ist grundsätzlich nicht tragisch, denn ob man auf ein Release hin produziert oder nicht, ist eine Frage der persönlichen Herangehensweise. Allerdings suggerierte der Albumtitel eine gewisse Erwartungshaltung, eine Art roten Faden. Dieser spinnt sich nur bedingt. Es geht hauptsächlich um Rap und Anderssein. Oder? Das wäre insofern wieder ein Pluspunkt, als dass “Hypochonda” gänzlich ohne Features auskommt.

Gäbe es zu dem Cover ein Video, dann müsste ich an dieser Stelle wohl darauf verweisen. Gibt es aber nicht, zumal man es sich ja auch unbewegt ganz gut angucken kann. Wie ist es denn nun? Künstlerisch wertvoll, würde ich behaupten. Mit einer Prise Zweckmäßigkeit. Da sollte einfach alles und jeder Sinneseindruck in einem einzigen Bild zusammengefasst werden, so mein Eindruck. Es hat in jedem Fall etwas fesselndes, sodass man es sich gerne länger und genauer anschaut, um Details zu erkennen. Passt zum Inhalt der Songs und der Beats. “Hypochonda” ist ebenso wenig ein Album zum einmal anhören und direkt beurteilen. Das wäre ja auch verrückt.

 

BEWERTUNG

luke&betrug-hypochonda-rating

4,5/5

 

* DOWNLOAD *

Luke-und-Betrug-Hypochonda-Backcover


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