REVIEW 006: Luke & Betrug – Hypochonda


Luke-und-Betrug-Hypochonda-Frontcover

“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben”, sagte einst George Bernard Shaw. Das war noch vor dem Jahr 1950, bevor er verstarb. Was das mit diesem Album zu tun hat? Nun, “Hypochonda” von Luke & Betrug trifft damit den Zahn der Zeit, was die aktuelle (Rap-) Gesellschaft betrifft.

Das Intro startet themengerecht schön psychedelisch-verrückt mit gecutteten Wortschnipseln aus dem Album. Soweit so gut. Allerdings könnten die Drums mehr drücken. Alles in allem aber ein passender Einstieg.

“Was du daraus ziehst das liegt in deinem Ermessen – Dass die Scheiße hier was bringt, das kann ich keinem versprechen”

Zum anschließenden Track “Attentäter” gibt es übrigens ein Video. Zu Recht, denn dieser Track geht gut ins Ohr und bleibt dort auch. Das liegt zum einen am Beat selbst (so hätte das Intro Drumtechnisch sein sollen…), zum anderen weil Luke hier seinen Flow extrem gut entfaltet.

Luke & Betrug – Lyrischer Attentäter (Video)

Der Beat vom “Dunkel Intro” ist fast schon zu schade für einen Skit, aber stimmt deswegen umso besser in den nächsten Song ein. “Wenn Heute Morgen ist” ist ein unbedingter Anspieltipp. Luke erzählt von seinen morgendlichen/nächtlichen Streifzügen durch die Stadt und berichtet einfach nur von den Dingen, die er sieht. Klingt banal, aber wie wir wissen, kann das heutzutage nicht jeder MC. Mustergültiges Storytelling wie im Hörbuch.

“Zeit ist Geld, doch kann man Zeit nicht mit Geld kaufen”

Apropos Muster: Rappen über’s Rappen ist immer ein zweischneidiges Schwert, dass die Hip Hop Gemeinde sprichwörtlich zweiteilt. Wer kennt weiß, dass ich dieser Thematik, je nach Umfang,  kritisch gegenüber stehe. Mal ist das Rappen über’s Rappen ja gut oder auch wichtig, um sich und seine Szene zu reflektieren. Auf Albumlänge fängt man allerdings an, seine eingeschlafenen Füße zu beneiden. Die gute Nachricht an dieser Stelle: Das Luke & Betrug Album ist hauptsächlich kein Rappen über’s Rappen  Album. Puh! Die sehr gute Nachricht: “Reflektier” bringt in 2:07 Minuten mitsamt einem passenden Streicher-Beat auf den Punkt, was man zu dem Thema gesagt werden muss. Punkt.

Punkt? Manchmal kommen sie wieder. So auch Luke in “Ich bin back”. Psychosen können tatsächlich unterhaltsam und ehrlich sein. Kombiniert mit ein bisschen Repräsentieren und et voià:  Noch ein Anspieltipp. Der Beat bedient den Hörer mit einer eingängigen Gitarren-Piano-Kombi auf nach vorne bretternden Drums. Hier passt (mal wieder) alles.

“Yeah, ich komm mit geistigen Schäden – Folge mir, wenn du lernen willst in Scheiße zu treten”

Achtung, Nackenschmerz-Alarm! Denn “Trouble” zwingt nicht nur zum Kopfnicken, sondern bietet darüber hinaus ein schön böses Stück Beat. Besagter Beat ist recht flott, Luke aber auch. Am Ende kommen sogar noch schöne Cuts. Verdammt, wenn das so weitergeht, steuert “Hypochonda” auf eine 5 von 5 Wertung zu. Dafür nimmt man Nackenschmerzen vom notorischen Kopfnicken gerne in Kauf.

“Kauf dir neue Sneakers, am besten die, die auch dein Lieblings MC hat”

“Wenn ich groß bin” erzählt vom Gewinnen und Verlieren in der großen weiten Welt. Eine guter Job, Kohle – braucht man das, um glücklich zu sein? Diese und andere Fragen beantwortet sich Luke selbst. Genauso wie die Frage, inwieweit Seelen-Striptease in sozialen Netzwerken nötig ist. “Soziales Netzwerk” fasst die negativen Seite von Facebook & Co. so treffend zusammen, dass man da einfach besser selbst reinhören sollte:

Luke & Betrug – Soziales Netzwerk (Video)

Spätestens hier merkt der Hörer, dass Luke ein MC ist, der über die Gesellschaft nachdenkt und diese reflektiert. “Maschinerie” erzählt von der Depression, dem Leistungsdruck und täglichen Alltagstrott, der unaufhaltsam seinen Lauf nimmt. Bei diesem Track ist der Beat nicht so meins, allerdings bügeln das die guten Lyrics wieder aus.

Und wie zuvor verweise ich wieder auf eine Videoquelle, denn man muss einfach das Gesamtpaket aus Sound, Message und Bild gehört und gesehen haben. “Alle Hände hoch” beleuchtet das weltliche Geflecht aus Ausbeutung, Krieg, Korruption und dem Tod. Dazu, wie erwähnt, ein entsprechendes Video. Ganz nach dem Motto der Textzeile im Song: “Guck mal genau hin, vielleicht geht’s dir dann besser.”

Luke & Betrug – Alle Hände Hoch (Video)

“Fast verschwunden” deutet es bereits im Titel an. Das war’s soweit, das Album neigt sich dem Ende zu, aber eben noch nicht ganz. Das stimmige Instrumental Outro dient vorerst nur als Übergang zum letzten Track “Verrückt genug”, dessen Name Programm ist. Ist es nun auch wirklich der letzte Track? Man munkelt von einem Bonustrack.

 

FAZIT

Vorab sei erwähnt, dass es das Album kostenlos und als CD gibt. Natürlich wird sich der Großteil das Album kostenlos runterladen. Es lebe die Gratiskultur. Aber Luke wollte es eben so.

Um dem Fazit das schon Vorhersehbare vorweg zu nehmen: Ich empfehle euch das Album zu kaufen! Einerseits supportet ihr einen begabten Künstler, andererseits ist Musik zum Anfassen im Regal ein Mehrwert gegenüber dem schnell gelöschten Download. Kann man sich gerne drüber streiten…

Zum Sound zitiere ich Luke: “Lieber ehrlich dreckig als vermeintlich sauber”. Da wage ich es schon gar nicht mehr, eben jenen Sound der Songs in die Wertung miteinzubeziehen. Das  Album soll so klingen wie es klingt. Dazu ist es gesellschafts- und rapkritisch. “Hypochonda” die volle Wertung zu geben ist mir aber aus einigen anderen Gründen nicht möglich. Es sind minimale Gründe, wie der Beat von “Maschinerie” oder eben, dass das Intro nicht so dick daherkommt, wie die anderen Songs. Aber vor allem ist mir “Hypochonda” etwas zu lose und wirkt eher wie eine Zusammenstellung von Songs, die nicht direkt als Album geplant waren. Das ist grundsätzlich nicht tragisch, denn ob man auf ein Release hin produziert oder nicht, ist eine Frage der persönlichen Herangehensweise. Allerdings suggerierte der Albumtitel eine gewisse Erwartungshaltung, eine Art roten Faden. Dieser spinnt sich nur bedingt. Es geht hauptsächlich um Rap und Anderssein. Oder? Das wäre insofern wieder ein Pluspunkt, als dass “Hypochonda” gänzlich ohne Features auskommt.

Gäbe es zu dem Cover ein Video, dann müsste ich an dieser Stelle wohl darauf verweisen. Gibt es aber nicht, zumal man es sich ja auch unbewegt ganz gut angucken kann. Wie ist es denn nun? Künstlerisch wertvoll, würde ich behaupten. Mit einer Prise Zweckmäßigkeit. Da sollte einfach alles und jeder Sinneseindruck in einem einzigen Bild zusammengefasst werden, so mein Eindruck. Es hat in jedem Fall etwas fesselndes, sodass man es sich gerne länger und genauer anschaut, um Details zu erkennen. Passt zum Inhalt der Songs und der Beats. “Hypochonda” ist ebenso wenig ein Album zum einmal anhören und direkt beurteilen. Das wäre ja auch verrückt.

 

BEWERTUNG

luke&betrug-hypochonda-rating

4,5/5

 

* DOWNLOAD *

Luke-und-Betrug-Hypochonda-Backcover

Über SirPreiss


6 responses to “REVIEW 006: Luke & Betrug – Hypochonda

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