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REVIEW 005: Baltimore S.O.N. – HisStory / The Audiobiography of…


Normalerweise rezensiere ich nur deutsche Rap-Alben. Und normalerweise wollte ich mich nur auf Free Downloads konzentrieren. Andererseits bestätigen Ausnahmen die Regel. So sieht sich auch selbst: „I’m not a rapper, I’m an EMCEE“. S.O.N. steht dabei übrigens “S.hining O.ver N.egativity” und bildet zugleich das Wort “Sohn”. Pfiffig. So mag ich das.

“HisStory” beginnt recht laid back mit dem Track “Hit Record”, in der S.O.N. dem Hörer die Bedeutung aber auch die Schwierigkeit des Aufnehmens seiner Songs näherbringt. Der Beat ist sehr gediegen und lässt gut anhören. Super Intro, passt perfekt.

Gediegen geht es weiter mit “Be” auf dem der gleich drei Mal im Verlauf des Albums gefeaturete seinen Part zum Besten gibt. Auch diese Nummer überzeugt. Andererseits wundert es mich an gerade dieser Stelle wieder, wie simpel und doch überzeugend amerikanische Rap-Texte sein können, wenn man sie ins Deutsche übersetzt.  Nicht so bei S.O.N., der hier sehr persönliche Einblicke in sein Leben gewährt.

Spätestens bei “Jaded” merkt man: Der Rap-Stil von S.O.N. und die Machart der Beats spinnen langsam einen roten Faden, der sich  durch das Album ziehen wird. Die Songs sind vom Tempo und den Samples her sehr angenehm und eben – mir fällt kein anderes Wort ein – laid back. Die Texte reichen dabei von nachdenklich bis Lebensbejahend. Das Negative überscheinend. So ist auch “Jaded” der Soundtrack zum Cabriofahren an der sonnigen Westküste entlang.

Überhaupt ist der Sound sehr 90s-lastig. “Everything” könnte einer dieser aus heutiger Sicht härteren R’n’B Songs jener Zeit sein. Das gefällt in jedem Fall, da das alte, lang nicht mehr gehörte plötzlich sehr frisch daherkommt. Anthony Washington überzeugt durch einen sehr eingängigen und gefühlvoll dargebotenen Gesangsteil. Toller Song!

Um es kurz zu machen, der Skit “Sam Siege” ist einer dieser nervigen Anrufbeantworter-Skits, die einfach nur im Ohr dröhnen und krächzen, wenn man die Lautstärke nicht rechtzeitig hat runterregeln können. Dabei ist das hier Gesagte recht nett, denn besagter kommentiert positiv den mittlerweile schon älteren Song “Soulful Street”, der doch noch seinen Weg auf das Album fand.  Besagter Track ist ebenfalls eine ruhigere Nummer. In diesem Fall wieder nicht tragisch, denn dem autobiographischen Faden treu, dreht sich auch hier alles um das Leben und Wirken von S.O.N.. Story Telling liegt dem Mann aus Baltimore, dass muss man schon sagen.

Eine weitere Besonderheit ist, das muss ebenfalls erwähnt werden, dass fast jeder Song des Albums von einem anderen Produzenten stammt. Die Ausnahme bilden Chris V., Kajmir Royale und Timeless Beats, die jeweils mit zwei Produktionen vertreten sind. Trotzdem oder gerade deswegen ist dieses Album extrem rund. Das nenne ich mal ein glückliches Händchen beim Beats picken. Doch nicht nur die Staaten dürfen ihre Beatmänner an die Regler lassen, auch aus Braunschweig ist beteiligt. “Hip Hop Don’t Stop” ist eine thematisch und inhaltlich selbsterklärende Nummer auf einem Premo’esken Hip Hop Beat. Das funktioniert ja auch immer. Die Cuts von DJ SoulClap sind ebenfalls passend gewählt.

“Way U Walk” bedient ein ebenfalls Hip Hoppiges Thema, nämlich die Frauen. Es geht im Prinzip darum, wie die Hüften und Titten in den unterschiedlichen Bundesstaaten der USA wackeln. Hm. Ok, warum gab es ausgerechnet zu diesem Track kein Video?

Baltimores Crew “” ist auch gleichzeitig titelgebend für den nächsten Song, der eben jene Crew behandelt. Ein Wir-gehen-durch-dick-und-dünn-Song, der zwischendurch durch einen extrem schräg wummernden Bass besticht. Klingt komisch und absolut nicht gewollt.

“Don’t Let Me Down” lockt in mir leider nur ein Gähnen hervor, was bestimmt auch nicht gewollt war.  Das Album geht mir schon jetzt mit zu vielen Hand-Clap-Beats und ruhigen Nummern an den Start. Baltimore erzählt davon, dass seine Zeit gekommen ist. Nun ja, auf einem anderen Beat vielleicht eher. Wobei das in fast jedem Track praktizierte Rappen über’s Rappen ein zweites markantes “Manko” dieser Platte darstellt. Das ist natürlich eine Frage des Geschmacks und der Ansprüche, ganz klar. Meinen trifft es bzw. genügt es nicht.

Aber kommen wir wieder zurück zum “Problem” eins, denn auch “So High” mit Legacy als Feature will für sich alleinstehend glänzen, aber auf die gesamte Albumlänge hochgerechnet zündet hier kein Funke der Abwechslung. Wieder ein gechopptes Soul-Sample, wieder ein Tempo von unter 90 BPM. Hatten wir schon.

Der Funke der Abwechslung kommt dann doch noch, denn “City Rocks” wird seinem Titel mehr als gerecht und überzeugt auf einem zwar ebenfalls recht ruhigen, aber dafür zum Kopfnicken einladenden Beat. Zwischenfazit: Chris V. rappt also nicht nur gut, er macht auch hervorragende Beats. Sein Feature-Partner D. Focis punktet erneut durch die markante Stimme und S.O.N. reiht sich gewohnt perfekt ein. Etwas spät, aber immerhin, es kommt hier einer der stärksten Songs auf “HisStory” daher. Auch inhaltlich wissen die drei MCs ihre Reise um die ganze Welt und die entsprechenden Städte gut zu verpacken.

Um mindestens die halbe Welt ging der Beat von   aus Deutschland zu “Married 2 Tha Game”. Auch wieder ein Clap-Beat, ja, aber da kann der gute Kallsen nichts für, wenn S.O.N. diese Stilrichtung so flammend bevorzugt. Die saubere Produktion, die passenden Cuts und ein ebenso sauber flowender Baltimore S.O.N. machen “Married 2 Tha Game” zu einer sehr guten Nummer, auch wenn man sich an der Machart während des bisherigen Albumverlaufes sattgehört haben mag.

Zurück im Dolorean in die 90er Jahre, denn “Show Must Go On” erinnert irgendwie an den Track “Everything”.  Diese beiden Songs machen einfach Spaß, wenn man das so sagen kann. Sie fangen eben jenen Vibe ein, den man nicht (mehr) an jeder Ecke hört und schließen das Album zu einem soundtechnisch einheitlichen Ganzen ab.

Moment, wo wird was geschlossen? Sieh an, ein Bonus-Track auf der CD. Diese sind aus meiner Erfahrung mit Vorsicht zu genießen. Denn entweder ladet ein Künstler hier drittklassigen Ranz ab, der es nicht in die richtige Playlist geschafft hat oder es versteckt sich eine unentdeckte Perle. Den Bonus-Track hier als Ranz abzustempeln wäre ebenso falsch, wie ihn eine Perle zu nennen, denn es handelt sich beim genauen Hinhören nur um einen Remix von “Soulful Street”. Wie so oft stellt sich hier die berühmte Remix-Geschmacksfrage, ob man das Huhn oder das Ei bevorzugt. Ich bin für das Huhn, ohne das Ei jetzt die Pfanne hauen zu wollen. Da darf sich nun jetzt jeder selber zusammenreimen, welche Version mir eher liegt. Oder was zuerst da war. Oder sich dem Fazit widmen.

 

FAZIT

Auch wenn sich meine Reviews für den ein oder anderen so lesen mögen, ich wollte die rezensierten Alben bis auf’s kleinste Atom sezieren, um ihnen dann den Todesstoß verpassen, ist dem nicht so. Ich versuche lediglich zu entschlüsseln, warum mir etwas gefällt und warum nicht. Was mir an “HisStory” nicht gefällt ist der durchgängig sanfte Ton und die entsprechenden Beats. Alles für sich und einzeln genommen starke Songs. Aber wenn eine Fußballmannschaft aus 11 recht identischen Spielern mit hohem Einzelpotential besteht, kann eben kein abwechslungsreiches Spiel entstehen. Die Richtung ist starr vorgegeben und auch inhaltlich bricht S.O.N. nicht erwähnenswert aus dem Schema Rappen über’s  Rappen heraus. Das ist schade, denn die “Audiobiography” suggeriert vor dem Hören einiges mehr und vom technischen und stimmlichen her ist Baltimore S.O.N. zu weitaus kreativerem fähig, als “I’m back in the game” und das Hochhalten der Hip Hop Fahne. Ich finde keinen dauerhaften Draht zum Inhalt, was mich leider zum Abzug eines gesamten Punktes zwingt.

Eine Spur weniger Skits hätten dem Album auch nicht geschadet. Es handelt sich zwar nicht um ganze Tracks, doch genau da liegt das Problem: Die kann man skippen oder vom MP3 Player löschen. Nein, hier wurde das No Go angewandt, die Shout Outs an’s Ende oder den Anfang eines Tracks zu packen. Kann man nicht skippen, sondern nur vorspulen. Das ist deswegen nervig, weil auch der Denkfaulste nach dem dritten Shout längst begriffen hat, wie viel Glück, Erfolg, Segen und was auch immer Baltimore auf den Weg gegeben wird. Weniger wäre mehr gewesen.

Das Album kommt bodenständig und schlicht  im einfachen Pappschuber daher, was ich in diesem Fall als am falschen Ende gespart empfinde. Doch so wie ich das mitbekommen habe, erfolgt der Vertrieb sowieso vornehmlich digital. Nun denn, das Cover ist ganz ordentlich designt. Mir gefällt die symbolisch nach oben weisende Treppe auf dem Backcover. Symbolisch auch deswegen, weil Baltimore S.hining O.ver N.egativity mit diesem Album ein durchweg positives Hip Hop Werk abliefert.  Im nächsten Anlauf wird es dann ganz sicher nach oben gehen. Dann aber bitte weniger Clap-Beats und Shout Outs.

 

BEWERTUNG

Baltimore S.O.N. Rating

3,5/5

 

 

Baltimore-S.O.N. - HisStory (Backcover)


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